Bacabal – Sozioökonomischer Hintergrund – Ungleichgewichtige Entwicklung in Brasilien
Bacabal
Bacabal liegt in Maranhão, einem der 26 Bundesstaaten Brasiliens. Von 1980 bis 2008 stieg die Einwohnerzahl in Bacabal von 20 000 auf ca. 90 000 Einwohner. Der Grund für diesen rasanten Bevölkerungsanstieg ist die Landflucht. Im Jahre 1960 wohnten 55% der Bevölkerung auf dem Lande, im Jahre 2000 nur noch 20%. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Großgrundbesitzer sich mehr Gewinn von extensiver Viehzucht als vom Anbau versprachen. Sie verwandelten große Areale in Rinderweiden und vertrieben so Landarbeiter, Pächter und Kleinbauern von ihrem seit Generationen bewirtschafteten Stückchen Land.
Auch die klimatischen Voraussetzungen für die Landwirtschaft sind hier nicht günstig. Bacabal liegt im Übergangsgebiet zwischen den Dürrezonen des benachbarten Bundesstaates Piauí im Osten und den tropischen Regenwäldern des Amazonas. Die Niederschläge entsprechen etwa denjenigen der BRD. Mit wachsender Entfernung vom Meer nehmen sie jedoch ab. Die Landwirtschaft hat zunehmend unter einer nach Intensität und Dauer sehr schwankenden Trockenzeit zu leiden. Schuld daran ist u.a., dass man Wälder abholzte, um sie als Rinderweiden zu nutzen.
Wertschöpfung im Kreis Bacabal
Die ihrer Existenzgrundlage beraubten Campesinos ziehen in Städte wie Bacabal in der vagen Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Aber ein Blick auf die Grafik links verdeutlicht, dass im Kreis Bacabal die industrielle Produktion kaum eine Rolle ( 5%!!!) spielt. Das Arbeitsplatzangebot ist hier für die lokalen Zuwanderer völlig unzureichend.Die Chance, einen Arbeitsplatz mit geregeltem Einkommen zu bekommen, ist fast aussichtslos.
Der brasilianische Bundesstaat Maranhão
Ein Hauptproblem Brasiliens ist die ungleichgewichtige regionale Landesentwicklung. Maranhão, flächenmäßig etwa so groß wie die BR Deutschland, zählt zu den ärmsten Regionen Lateinamerikas. Ein Handikap ist die Entfernung von 2300 km ( etwa Dortmund – Moskau ) zum wirtschaftlichen Kernraum um São Paulo. Diese Randlage trägt sicher dazu bei, dass sich von den 47 ärmsten Landkreisen Brasiliens 21 in Maranhão befinden. 50% hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser; 70% hat keine Abwasser- und Müllentsorgung; von 1000 Säuglingen sterben 63 vor Erreichen des ersten Lebensjahres; 60% der Bevölkerung müssen mit weniger als 1 Euro/Tag auskommen. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1616 US$ (Gesamtbrasilien= 3400 US$ ) Bezeichnend für den Entwicklungsstand M.’s ist die hohe Analphabetenquote von 59% der über 50-jährigen Bevölkerung.
Die Südost-Region
Die Südost-Region, das Industriedreieck um São Paulo, Belo Horizonte und Rio de Janeiro ( die 4 Bundesstaaten: São Paulo, Rio de Janeiro, Minas Gerais, Espirito Santo) weist sicherlich viel bessere Wirtschaftsdaten auf. Trotz des differenzierteren Angebots auf dem Arbeitsmarkt ist man auch hier dem gewaltigen Zustrom von ‘Binnenwanderern’ aus ganz Brasilien nicht gewachsen. Mit seinen fast 20 Mill. Einwohnern zählt z.B. São Paulo zu den 5 größten Metropolen der Welt.
Auch in der Südost-Region bilden sich am Stadtrand gewaltige Armutsviertel ( ähnlich denen in Bacabal/ vgl. Bilder links ) heraus. Sozialer Ausschluß, Elend und ungerechte Verteilung von Vermögen und Einkommen fordern ihre Opfer vor allem unter den Jugendlichen. Offizielle Daten und Statistiken zeigen, dass 47% aller Arbeitslosen Jugendliche sind; nur 41% aller Jugendlichen leben in Familien, deren monatliches Pro-Kopf-Einkommen 80 Euro übersteigt.
Typisch für ganz Brasilen ist deshalb auch die ungleichmäßige Verteilung des Einkommens: Die 10% reichsten Haushalte haben ein 70mal höheres Einkommen als die 10% ärmsten Haushalte. Das aktuelle Entwicklungsmodell sorgt dafür, dass es heute Millionen Landlose und Obdachlose gibt, Arbeiter ohne geregelten Arbeitsvertrag, Arbeitslose, jugendliche Drogenabhängige…